3

Mein Vater hatte sein eigenes Äquivalent für unbehandelbare Kopfschmerzen: die unerklärte Abwesenheit. Da Mutter das Autofahren nie gelernt hatte, war Vater Herr über den Vauxhall Viva und verschwand stundenlang damit, normalerweise um irgendeine kleinere Besorgung zu erledigen, wie zum Beispiel einen Dichtungsring für den Wasserhahn zu kaufen oder in der Leihbücherei seine Strafgebühren zu zahlen. (Als Lateinlehrer an der örtlichen Grammar School hatte er unbegrenzten Zugang zur Schulbibliothek und war deshalb an lange Leihfristen gewöhnt.) Er kündigte seine Ausflüge niemals an, sondern schlenderte offensichtlich geistesabwesend aus dem Haus, und nur das Aufheulen des Motors verriet uns, dass er wieder einmal »weg« war. Gelegentlich kam er mit irgendetwas zurück, das er gekauft hatte, um vier Stunden Abwesenheit zu rechtfertigen: einem exotischen Autoersatzteil oder einem Stapel Bücher in einer Foyle-Plastiktüte. Für meine Mutter war dieses Verhalten eine dieser reizenden Exzentritäten, die sie mit der Zeit zu hassen gelernt hatte, aber die, da sie so lange nicht in Frage gestellt worden waren, jetzt auch nicht mehr geändert werden konnten. (Gewisse Regeln, wie dass Vater nur in seinem Arbeitszimmer oder im Garten Pfeife rauchen durfte, und das Ausziehen der Straßenschuhe an der Türschwelle, waren schon früh festgelegt worden und konnten deshalb mit aller Härte durchgesetzt werden, und nach zwölf Jahren Ehe fiel es ihm sogar fast leicht, sie zu befolgen.)

Im Haus selber gab er eine begrenztere Version seines Verschwindens zum Besten, indem er sich, kurz bevor das Abendessen serviert wurde oder wir ausgehen wollten, in seine abgelegensten Ecken zurückzog.

»Verschwinde jetzt nicht, ich trage auf«, sagte Mutter dann, während sie in einer Dampfwolke Gemüse aus dem Topf in ein Sieb kippte und mein Vater sich in der Tür herumdrückte. Wenn das Essen auf den Tellern war, war er verschwunden - um in seinem Schreibtisch nach einem Dokument zu stöbern, an das er sich plötzlich erinnert hatte, oder um schnell etwas an seinem »Projekt« zu verbessern.

Einmal habe ich ihn erwischt. Es war am Samstag vor Ostern. Vater hatte sich kurz nach dem Lunch weggeschlichen; Mutter jätete im Vorgarten Unkraut. Ich hatte meinen Comic zu Ende gelesen, mein Zimmer aufgeräumt und mich entschlossen, mit dem Fahrrad loszufahren, um mir Süßigkeiten zu kaufen. Rad fahren ohne Stützräder war eine Fähigkeit, die ich erst vor relativ kurzer Zeit gelernt hatte, und die Belohnung für diese Bemühung war ein neues, rotes Fahrrad gewesen, mit einem Korb vorne und einer Satteltasche hinten, das das rostige Flohmarktmodell ersetzte, auf dem ich diese Kunst erlernt hatte. Immer wieder um die Grünfläche am Ende der Sackgasse herumzuradeln war zu meiner Lieblingsbeschäftigung geworden, und als ich an diesem Morgen mit zehn Pence in der Tasche über die holperigen Bürgersteige zum Zeitungshändler fuhr, war ich so vollkommen und wunschlos glücklich, wie ich es als Erwachsene selten gewesen bin.

Im Laden blieb ich an der Gefriertruhe stehen und überlegte, ob ich in der Lage wäre, ein Eis bis nach Hause zu befördern, bevor es schmolz, als ich Vater am Ladentisch stehen sah. Ich wollte ihn schon ansprechen, denn sicher hätte er mir ein paar Süßigkeiten spendiert, aber ich bemerkte gerade noch rechtzeitig, wie der Zeitungshändler von seiner Stehleiter stieg und Vater ein riesiges Osterei in violetter Folie überreichte. Instinktiv ging ich hinter dem Zeitungsregal in die Knie, weil mir klar war, dass das Ei für mich sein musste, und dass ich mich, wenn ich das Geheimnis lüftete, schuldig machen würde, obwohl ich nicht wusste, wessen. Während ich dort hockte, hörte ich das Rattern der Ladenkasse und wie Vater sich bedankte, und dann, zu meiner Bestürzung, sah ich seine glänzenden schwarzen Slipper um die Ecke biegen und auf mich zukommen. Ich hielt den Kopf gesenkt, tat so, als sei ich in eine Kinderzeitschrift vertieft, und hielt für den Fall, dass er mich erkannte, den Atem an, aber nichts geschah.

»Entschuldigung«, sagte Vater mit leerem Blick, streifte meinen Scheitel, als er sich vorbeiquetschte, und war zur Tür hinaus, bevor ich auch nur aufblicken konnte.

Am nächsten Morgen, am Ostersonntag, wachte ich mit einem leicht unzufriedenen Gefühl auf und wusste den Grund nicht mehr. Dann fiel es mir wieder ein: Keine Überraschung, auf die man sich freuen konnte. Ich hatte mich ganz unabsichtlich um die Vorfreude gebracht, die man empfindet, wenn man sich einem verpackten Geschenk gegenübersieht: Man muss einfach enttäuscht werden, aber eine Sekunde lang triumphiert die Hoffnung. Doch als ich zum Frühstück hinunter kam, stellte ich fest, dass das Päckchen neben meiner Müslischüssel nicht im Entferntesten eiförmig war. Ich riss das Geschenkpapier ab und fand ein Schokoladenvogelnest mit mehreren knallbunten Zuckereiern und einem Marzipanküken darin. Mein Gesicht musste vor Verwirrung finster geworden sein.

»Gefällt es dir nicht?«, fragte Mutter, verärgert über diese Undankbarkeit.

»Oh doch, es ist süß«, sagte ich und riss mich zusammen, und um meine volle Zufriedenheit mit dem Geschenk unter Beweis zu stellen, reihte ich die Zuckereier neben meinem Teller auf und machte einen Riesenwirbel um das Marzipanküken.

Ich habe nie auch nur die geringste Spur von diesem glitzernden, violetten Osterei wieder gesehen, und einige Zeit war mir diese Begebenheit absolut rätselhaft. Erst als ich ein wenig älter war, kam ich auf den Gedanken, dass Vater es möglicherweise für sich selbst gekauft haben konnte, da er gern Süßigkeiten aß und Mutter das Zeug nicht vertrug. Die Vorstellung, dass ein Erwachsener - mein Vater - vielleicht demselben harmlosen Vergnügen frönte wie ich, indem er sich heimlich mit Schokolade voll stopfte, die er mit niemandem teilen musste, war ein Schock für mich.

Seejungfrauen kuesst man nicht
Seejungfrauen kuesst man nicht.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-1.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-2.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-3.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-4.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-5.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-6.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-7.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-8.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-9.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-10.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-11.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-12.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-13.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-14.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-15.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-16.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-17.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-18.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-19.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-20.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-21.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-22.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-23.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-24.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-25.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-26.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-27.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-28.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-29.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-30.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-31.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-32.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-33.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-34.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-35.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-36.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-37.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-38.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-39.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-40.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-41.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-42.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-43.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-44.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-45.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-46.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-47.html
Seejungfrauen kuesst man nicht-48.html